Nachteile durch individuelle Bonuszahlungen

23. Juni 2020

Nahezu jedes zweite Unternehmen in der Größenordnung bis 250 Mitarbeiter nutzt variable Gehaltsbestandteile. Bei Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern sind es mehr als 8 von 10 Unternehmen, die das Instrument Bonuszahlung einsetzen. Doch wie ist die Wirkung von Bonuszahlungen, die an individuell zu erreichende Ziele gekoppelt sind?

Bosch hat bereits im Jahr 2016 festgestellt: „… individuelle Boni sind für uns nicht der richtige Anreiz …“(1). Aber auch viele kleinere Unternehmen haben in den letzten Jahren ähnliche Feststellungen gemacht und haben ihre Vergütungssysteme erneuert.

Praxisbeispiel Super-RTL

Zum Beispiel berichtet die Personalleitung bei Super-RTL(2) von den Gefahren der „Wenn-dann-Belohnungen“:

  • Sie verengen den Blickwinkel
  • Sie untergraben die intrinsische Motivation
  • Sie unterdrücken das kreative Denken
  • Sie zementieren hierarchische Abhängigkeiten
  • Sie verursachen einen hohen administrativen Aufwand
  • Sie sind zu langfristig angelegt
  • Sie unterstützen Tricksereien und unethisches Verhalten

 

Das Unternehmen Super-RTL hat innerhalb von 3 Jahren die Umwandlung von variablen in feste Gehaltsbestandteile gemeistert. Mit dem Ergebnis, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter (ca. 130 Festangestellte) mit der angemessenen Beteiligung am Unternehmenserfolg deutlich gesteigert wurde.

Welche Erkenntnisse bietet die Wissenschaft?

Eine in der Öffentlichkeit bzw. im Mittelstand wenig beachtete Studie des BMAS/IAB zu „Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg“ gibt hierzu wichtige Aufschlüsse zur Wirkung von variablen Vergütungssystemen. Das Besondere an dieser empirischen Studie ist, dass die Befragung von über 1000 Beschäftigten seit 2012 im 2-Jahres-Tournus erfolgt und seit 2016 erstmals Vergleiche in Form einer Längsschnittstudie ermöglicht. Zwei Aspekte wurden untersucht:

1. Wie nutzen Unternehmen in Deutschland die variable Vergütung?

2. Wie hängt die wahrgenommene Arbeitsqualität mit der Ausgestaltungsform zusammen?

Für die Erkenntnisse zum Aspekt 1 verweise ich auf die Studie.
Den Aspekt 2 vertiefe ich in meinem aktuellen Newsletter.

Wie hängt die wahrgenommene Arbeitsqualität mit der Ausgestaltungsform zusammen?

Untersucht wurde, wie sich das Verknüpfen von variabler Vergütung von Zielvereinbarungen auf die wahrgenommene Arbeitsqualität auswirkt. Als Kriterien für die Arbeitsqualität wurden folgende Parameter definiert und analysiert:

  • Arbeitszufriedenheit
  • Emotionale Bindung an das Unternehmen
  • Engagement bzw. Begeisterung bei der Arbeit
  • Kooperationsbereitschaft
  • Wahrgenommener Gesundheitszustand

 

Verglichen wurden also Zielvereinbarungen mit Verknüpfung an Bonuszahlungen gegenüber Zielvereinbarungen ohne verknüpfte Bonuszahlungen.

Quelle: LPP-Betriebs- und Beschäftigtenbefragung 2012 – 2017

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Praxis?

1. Bonuszahlungen, die an individuelle Zielerreichungen geknüpft sind, haben keinen positiven Effekt auf die untersuchten Parameter. Unternehmen, die die variable Vergütung ausschließlich an die Unternehmensergebnisse koppeln, haben zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter.

2. Zielvereinbarungen, die nicht mit Bonuszahlungen verknüpft sind, steigern die Arbeitszufriedenheit und das Engagement. Feedback, welches sich auf die Weiterentwicklung des Mitarbeiters fokussiert, entfaltet Wirkung.

3. Jahres-Mitarbeitergespräche, die ein qualifiziertes Feedback zum Leistungsverhalten des Mitarbeiters beinhalten, verkommen in der Kombination mit Bonus-Aspekten so zu versteckten Gehaltsverhandlungen. Demzufolge kann konstruktives Feedback nicht wirken.

Fazit

Bedenkt man, wieviel Kraft und Energie mögliche Zielkonflikte unter den beteiligten „Gehaltsoptimierern“ (Konkurrenzverhalten) binden und wie Silodenken der Bereiche (fehlende Offenheit) eine offene und agile Zusammenarbeit, sowie Kreativität und Innovation behindern, sollte die bestehende Unternehmenspraxis unbedingt auf den Prüfstand gestellt werden.

Für die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ist es zwingend erforderlich, die Wirkung der variablen Vergütung z.B. mit einer Mitarbeiterbefragung zu analysieren und ggf. mutig umzubauen.

Eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur benötigt keine extrinsische Motivation durch individuelle Boni!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.

Hier können Sie diesen Wissensbeitrag als PDF herunterladen.

 

Quellen

1) www.humanresourcesmanager.de/ressorts/artikel/fuer-uns-nicht-der-richtige-anreiz-1043303081?utm_source=www.humanresourcesmanager.de
2) OrganisationsEntwicklung Nr. 2/2019 Abschied von der Möhre